Emile Parisien : Sopransaxophon
Vincent Peirani : Akkordeon
Abrazo. Umarmung. Mal Engtanz, mal Nahkampf. Gibt es ein besseres Bild für das Duo von Akkordeonist Vincent Peirani und Sopransaxofonist Emile Parisien? „Es ist wie eine Ehe.“ sagt Peirani. „Am Anfang ist alles großartig, wunderbar, ein Paradies. Doch dann gibt es auch immer wieder Krisen, das ist ganz normal. Und jetzt gerade haben wir einfach eine riesen-Lust, zusammen zu spielen.“ Es dürfte nur wenige Musiker geben, die einander so gut kennen, wie Peirani und Parisien. Mehr als 1000 Konzerte haben die Beiden in den letzten knapp zehn Jahren zusammengespielt, über 600 davon im Duo. Kennengelernt haben sie einander 2010 im Quartett des Schlagzeugers Daniel Humair. Auf einer Koreatour spielten sie dann, recht spontan, ein erstes nächtliches Clubkonzert im Duo. Laut Peirani eine „ca-ta-strophe! to-tal disastre!“. Doch schon kurz danach, ohne Jetlag und gut vorbereitet, machte es auf einem französischen Festival Klick und eine der wohl außergewöhnlichsten Formationen des europäischen Jazz war geboren. Im Jahr 2014 erschien das erste gemeinsame Duoalbum „Belle Epoque“ auf ACT. Schnell ging es von da an über die wichtigsten Clubs und Festivals in Frankreich und Deutschland auf Tour in die ganze Welt – nach Asien, Lateinamerika, die USA, Kanada und ganz Europa. Und in weltbekannte klassische Häuser wie die Philharmonien in Berlin, Hamburg, Essen oder Wien. Auch internationale Preise wie der Echo Jazz, Les Victoires du Jazz, der Preis der deutschen Schallplattenkritik und zahlreiche Kritikerauszeichnungen führender Jazzmagazine ließen nicht lange auf sich warten.
„Belle Epoque“, das Debüt-Album des Duos, war eine Hommage an dem Sopransaxofonisten Sidney Bechet, einen der großen Stars des frühen Jazz der 1920er Jahre und Meister der Melodie. Fast sechs Jahre haben sich Peirani und Parisien Zeit genommen für den Nachfolger. Und auch „Abrazo“ ist eine Verneigung, allerdings nicht vor einer Person, sondern einer Kunstform: Dem Tango, seiner Eleganz, Melancholie und rhythmischen und melodischen Kraft. Und wie schon bei ihrem Duo-Debüt, spielen Peirani und Parisien nicht das Material der Vorlagen, sie spielen vielmehr MIT ihm. Stücke aus der Feder von Meistern südamerikanischer Prägung wie Astor Piazolla, Tomás Gubitsch oder Xavier Cugat bilden dabei nur einen Teil des Repertoires. Parisiens und Peiranis Eigenkompositionen bewegen sich im Geiste des Tango, ebenso wie das Arrangement von „Army Dreamer“ aus der Feder der von Peirani tief verehrten Kate Bush. Eine erstaunliche Brücke zum Vorgängeralbum schlägt der Eröffnungs-Titel „The Crave“ des US-amerikanischen Pianisten und Bandleaders Jelly Roll Morton – einem der einflussreichsten Jazzmusiker des frühen 20sten Jahrhunderts. Es scheint, als sei „Abrazo“, nach „Belle Epoque“, der zweite Teil einer Suite und tatsächlich greifen die beiden Alben, nacheinander gehört, verblüffend ineinander.
Was all diese unterschiedlichen Elemente verbindet, ist die überdeutlich hörbare, tiefe Seelenverwandtschaft von Peirani und Parisien, die daraus resultierende Sensibilität im Zusammenspiel und ihre Ausnahmestellung als zwei der aktuell wichtigsten Innovatoren ihrer Instrumente. Irgendwas klickt hier auf ganz und gar magische Art. Und es scheint, als könnten die Zutaten für dieses traumwandlerische Zusammenspiel wirklich überall her kommen: Ganz gleich ob traditioneller oder moderner Jazz, freie Avantgarde, Klassik, Folklore, Rock, elektronische, Neue oder Alte Musik – der Hunger auf Neues, die Lust am Abenteuer scheint unersättlich. Es sind diese grenzenlose Neugier und der Drang, gemeinsam zu wachsen und immer neue Stufen zu erklimmen, die das Duo Peirani & Parisien zusammenschweißen und so einzigartig machen.